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Treasuruption: Der Erste-Hilfe-Kasten für das Liquiditätsmanagement in stürmischen Zeiten

Der perfekte Sturm baut sich gerade auf und viele Unternehmen versuchen, einen sicheren Hafen anzusteuern. Erst kürzlich forderte die Corona-Pandemie ihnen einiges ab und Cash wurde auch für die erfolgreichsten Firmen zur “Chefsache”. Einmal mehr haben wir gemeinsam mit unseren Klienten gemerkt, wie (überlebens-)wichtig eine Cash Culture ist, um in diesen stürmischen Zeiten rechtzeitig auf Warnsignale zu reagieren. Nichts anderes erwarten wir auch in den kommenden Monaten wieder.

Anhand von Praxisbeispielen zeigen wir im Folgenden auf, welche drei Handlungsempfehlungen besonders wirksam sind, Liquiditätsmanagement in der Krisensituation vom ersten Tag an pro-aktiv aus der Treasury-Funktion zu betreiben.

I. Klare Governance für ausgehende Zahlungen und Bestellungen

Wird die Liquidität rar, sind jedwede Auszahlungen auf ihre Notwendigkeit hin zu prüfen. Eine erste Maßnahme, die wir beispielsweise bei einem global agierenden Einzelhandelsunternehmen angestoßen haben, war daher, alle Zahlungsaufträge einzeln unter die Lupe zu nehmen und individuell frei zu geben, bevor Liquidität tatsächlich aus der “Kasse” fließt.

Klare Prozesse und Verantwortlichkeiten für Zahlungsfreigaben sind die Eckpfeiler dieses Vorgehens – eine klare Governance für Auszahlungsentscheidungen ist unabdingbar. Explizite Genehmigungen sind für Zahlungsausgänge einzuholen, je nach Volumen oder Auszahlungsgrund durch unterschiedliche Entscheider, bis hin zur Geschäftsführung. Wie bei vielen anderen Prozessen liegt hier das “A & O” in der Disziplin und Konsequenz, Ausnahmen und Parallelprozesse dabei unumstößlich zu unterbinden und ungeprüfte Geldabflüsse zu verhindern.

Hierfür haben wir z.B. bei einem Versandhandelsunternehmen einen wöchentlichen „Cash Call“ mit Treasury und der Geschäftsführung aufgesetzt, in dem über die kurzfristige Liquiditätsprognose berichtet wurde und Zahlungsfreigaben zur Entscheidung gebracht wurden. Dies erlaubte es allen Prozessbeteiligten, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln und abgestimmte Entscheidungen zu treffen.

Das gleiche gilt für Order-to-Pay-Prozesse. Bestellungen, die einmal ausgelöst sind, führen unausweichlich zu Auszahlungen. Warenbestellungen sind in vielen Branchen durch teil- oder vollautomatisierte Abläufe geprägt, um einen bestimmten Lagerbestand sicherzustellen. Ist die Liquiditätsdecke eng, kann dieser Automatismus schnell zum Verhängnis werden. So erging es auch einem unserer Einzelhandelskunden während der Pandemie, der Liquidität gegen Produktangebot vor Ort abwägen musste. Keine leichte Entscheidung, denn jeder inkrementelle Umsatz ist im Einzelhandel eben auch durch Produktverfügbarkeiten getrieben.

II. Umfassende Kontrolle über Konten und Avale

Eine Verbesserung der Liquiditätssituation kann ebenfalls erreicht werden, indem der Zugriff auf grundsätzlich vorhandene, jedoch nicht unmittelbar verfügbare oder sogar blockierte Liquidität optimiert wird.

Dafür braucht es vollumfängliche Transparenz über Bankkonten und Salden. Dies ist nicht selbstverständlich, sondern erfordert oft erheblichen (manuellen) Aufwand in der Treasury-Funktion. Denn im laufenden Geschäft werden Bankkonten regelmäßig auf Basis nur grob vorgegebener Prozesse eröffnet. Dies führt nicht selten dazu, dass Anzahl, Zweck und Zugriffsrechte der Konten zentral nicht mehr nachvollziehbar sind. In einer Krisensituation ist es essenziell, diese Informationen zusammen zu führen und taggenaue Einsicht auf Kontostände und -bewegungen sicher zu stellen. Nur auf dieser Basis gelingt die notwendige Transparenz über die Liquidität, um zentral die Entscheidungsfähigkeit der Organisation zu gewährleisten.

Um Transparenz für ein Unternehmen der Automobilindustrie zu gewinnen, haben wir für dieses mehr als 180 Konten bei 25 Kreditinstituten in Europa und darüber hinaus erfasst und über die Nutzung des Standard-SWIFT-Protokolls MT 940 auf einer externen Plattform konsolidiert. Dies ermöglichte erstmals eine grundsätzliche Visibilität auf die gesamtheitliche Liquiditätssituation im Konzern.

Aktives Avalmanagement kann ebenfalls dazu beitragen, Liquiditätsbestände in Krisenzeiten zu optimieren. Denn bei vielen Unternehmen binden ausgereichte Avale Liquidität in Mischkreditlinien oder Barsicherheiten. Aktives Avalmanagement erfordert volle Transparenz und laufende Überwachung der ausgestellten Avalurkunden.

Bei einem Klienten, der aufgrund seiner europaweiten Standortstruktur erhebliche Beträge in Mietavalen gebunden hatte, zeigte eine erste Analyse, dass Avale trotz Erfüllung oder Ablauf des Ausreichungsgrunds nicht aus der Kreditinanspruchnahme ausgebucht wurden und somit die verfügbare Liquidität einschränkten. In diesem Zuge prüften wir ebenfalls die Verlagerung von Kreditinanspruchnahmen von Misch- zu reinen Avalkreditlinien. So konnte die verfügbare Liquidität durch die Entlastung der Mischkreditlinie erheblich erhöht werden.

III. Umfangreiche Transparenz aller Kreditverbindlichkeiten

Treasury ist nicht nur gefragt, die Liquidität zu optimieren, sondern auch vertragliche oder faktische Verfügbarkeiten und Fälligkeiten von Krediten aktiv zu managen. In der Praxis fällt auf, dass das Kreditmanagement im normalen Geschäft nicht immer stringent gehandhabt wird und dass eine Antwort, wann welche Kredite in welcher Höhe zurückzuzahlen sind oder wie hoch die aktuelle Inanspruchnahme ist, oftmals schwerfällt.

Existiert kein zentraler Überblick über die Kreditverpflichtungen, ist dies dringlich nachzuholen. Es sollten dabei alle wesentlichen Parameter der kreditvertraglichen Vereinbarungen (wie Kreditgeber, Betrag, Inanspruchnahme, Sicherheiten, Laufzeit, Covenants und sonstige Verhaltenspflichten), explizit auch ausländischer Tochtergesellschaften, zusammengezogen werden. Erst nach Abschluss dieser Informationsaufnahme ist es möglich, eine Optimierung lokaler Verfügbarkeiten als Teil der Liquiditätsverbesserung umzusetzen.

Gemeinsam mit einem global agierenden Konzern haben wir mit diesem Vorgehen Transparenz über mehr als 25 bilaterale lokale Kreditlinien mit einem Gesamtvolumen im mittleren zweistelligen Millionenbereich geschaffen. Besonders besorgniserregend war dabei die Vielzahl der Kreditzusagen mit kurzen Laufzeiten, die fortlaufend prolongiert werden mussten, was auch bei den lokalen Einheiten nur bedingt aktiv gesteuert wurde.

Ebenso ist die regelmäßige Prüfung der Einhaltung von Covenants und sonstiger Verhaltenspflichten sicher zu stellen. Es gibt immer wieder vertragliche Konstruktionen, bei denen durch Drittverzugsklauseln (Cross Default) ein Fehlverhalten in Bezug auf geringfügige Kreditverbindlichkeiten auch wesentliche Finanzierungsbestandteile in Gefahr bringen kann.

IV. Fazit

Die vorgenannten Mechanismen im Treasury entscheiden in vielen kritischen Liquiditätssituation darüber, inwieweit kurzfristig eine Verbesserung erreicht und Schlimmeres vermieden werden kann. In einer Krise sind diese Maßnahmen daher ein wesentlicher Teil des “Erste-Hilfe-Pakets”. Parallel dazu wird die notwendige Zeit geschaffen, um ein integriertes Restrukturierungskonzept zu erarbeiten, das zeitnah und diszipliniert umzusetzen ist.

 

Treasury ist nicht nur gefragt, die Liquidität zu optimieren, sondern auch vertragliche oder faktische Verfügbarkeiten und Fälligkeiten von Krediten aktiv zu managen.

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germany, treasury, turnaround management, finance, cash-management, cfo, restr, financial restructuring